An einem der letzten ungewöhnlich warmen Novembertage fahre ich mit meiner Nachbarin nach Aumühle zum Restaurant Waldesruh am See. Was für eine schöne Aussicht habe ich von der Terrasse aus – links der See, vor mir der Wald. Doch als ich den ersten Schluck Kaffee nehme, fällt mein Blick auf ein weißes Steingebilde, das zwischen den Bäumen hervorleuchtet. Was ist das? Und warum steht es hier am See, halb verdeckt von Büschen und Zweigen?

Als wir uns auf den Heimweg machen, schaue ich mir das Kunstwerk genauer an und bin sprachlos. Das sei das „Deutsch-Ostafrika-Ehrenmal“ erklärt man mir: Die Figurengruppe zeige in der Mitte den behelmten Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck, ehemals Kommandeur der deutschen „Schutztruppe“ in Tansania, rechts und links neben ihm ein afrikanischer Soldat in Askari-Uniform und ein erschöpfter einheimischer Lastenträger. Damit solle an die angebliche Treue tansanischer Afrikaner zu den deutschen Kolonialtruppen erinnert werden.

Blanke Ironie, wie wir heute wissen. Geschaffen wurde das Werk 1938 von Walter von Ruckteschell, der selbst als Major in Lettow-Vorbecks „Schutztruppe“ gedient hatte. Ursprünglich sollte die Figurengruppe in Potsdam aufgestellt werden, aber dann brach der Zweite Weltkrieg aus, und die Witwe des Künstlers vergrub das Werk, um es zu retten.
Wie aber kommt das Ehrenmal an den See von Aumühle, was hat dieses idyllische Waldstück mit der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ zu tun? Nun, Walter von Ruckteschell war seit einem Freikorpseinsatz in Hamburg im Jahre 1919 mit der Familie Bismarck in Friedrichsruh bekannt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Errichtung eines Ehrenmals, das die Kolonialzeit verherrlicht, undenkbar. Aber die Bismarcks stellten stattdessen das Grundstück am Restaurant Waldesruh zur Verfügung, wo die Figurengruppe bis heute zu sehen ist – bizarr und ohne jeden Bezug zur Gegenwart.


Als ich der Geschichte dieses Ehrenmales nachging, bin ich noch auf eine weitere Kuriosität aus der Kolonialzeit gestoßen. 1922 und 1935 wurden vor dem Haupteingang der Hamburger Universität die Denkmäler der Kolonialoffiziere Hans Dominik und Hermann von Wissmann aufgestellt. Letzteres war 1909 in Daressalam – heute Hauptstadt Tansanias und Partnerstadt Hamburgs – eingeweiht und nach dem Ende der Kolonialzeit nach Hamburg geschafft worden. Die Universität wollte damit einen Zentralort für die verlorenen deutschen Kolonien schaffen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es Studenten im November 1968, die Kolonialoffiziere von ihren Sockeln zu stürzen.

Aber wohin nun mit den Statuen? Nun, sie wurden ausgelagert, und zwar in einen Keller der Bergedorfer Sternwarte. Und wenn sie nicht beiseite geschafft wurden, dann liegen sie dort wohl immer noch.
Boike Jacobs, Fotos: Archiv
Franz Wissmann, der Urenkel des Kolonialverbrechers Hermann von Wissmann (Gouverneur von Deutsch Ostafrika), dessen Statue ja im Beitrag erwähnt wird, ist übrigens Chef der Sammelfirma DialogDirect, die für Hilfsorganisationen Spender anwirbt (die unerträglich aufdringlich-aggressiven Spendensammler auf den Strassen).
Siehe dazu:
https://kevinbrutschin.wordpress.com/2019/11/25/besitzer-von-ur-strassenspendenfirma-ist-nachfahre-von-deutschem-kolonialherrn-in-afrika-25-11-2019/
Zu den jämmerlichen Spendensammlungen noch zwei Medienbeiträge (zweiter aus Hamburg):
https://www.abendblatt.de/hamburg/altona/article205561009/Widerstand-in-Ottensen-gegen-Profi-Spendensammler.html
LikeLike
Danke für diese Erklärungen, lieber Herr Brutschin, das ist wirklich sehr interessant. Ich habe mich auch schon über die Spendensammler in Ottensen geärgert und bin fassungslos, dass auch ansonsten kluge Köpfe darauf reinfallen und Geld geben.
LikeLike