
Vor einigen Jahren wurde nahe der Justus- Brinckmann-Straße ein Weg eingeweiht, der an den Juden Michel Nathan erinnert. 1841 erwarb er an dieser Stelle für sich und seine Familie ein Friedhofsgelände. Sogar eine kleine Betstube gab es damals in der heutigen Sachsenstraße 23 – ein Zeichen für ein einvernehmliches Miteinander von Bergedorfer Juden und Christen?
Leider nicht. Solche Betstuben wurden heimlich eingerichtet, denn die evangelische Kirche und damit auch St. Petri und Pauli war grundsätzlich gegen die Religionsausübung aller nichtevangelischen Konfessionen und hätte Gesuche um Erlaubnis abgelehnt.
Zurück zu Michel Nathan. 1841 starb eines seiner Kinder und wurde auf dem von ihm erworbenen kleinen Friedhof begraben. Trotzdem forderte der Kirchenvorstand von St. Petri und Pauli Gebühren für die Beisetzung. Begründung: „Was würde aus der Administration von Kirchen und Schulen, wenn durch zunehmende Bevölkerung mosaischen Glaubens die den Predigern und Lehrern zustehenden Gelder für die Beisetzung geschmälert würden?“ Michel Nathans Klage wurde abgewiesen, innerhalb von vier Wochen musste er der Kirche sowohl die Totengebühr wie auch die Prozesskosten zahlen. Insgesamt wurden auf diesem Friedhof zehn Mitglieder der Familie Nathan beigesetzt.


1883 entbrannte erneut eine Auseinandersetzung um diesen Friedhof. Hamburger Juden fragten an, ob sie nicht das Recht bekommen könnten, das Gelände zu erweitern und dort ebenfalls ihre Toten beizusetzen. Vergebens. Nach langem Hin und Her erwarb die Stadt 1909 einen Teil des Grundstücks und errichtete darauf das Bethesda-Krankenhaus, 1939 wurde der verbliebene Rest des Friedhofs von den Nationalsozialisten enteignet. Heute steht auf dem Gelände das große Seniorenzentrum Cura, und nur noch eine kleine Gedenktafel erinnert an den ersten und einzigen jüdischen Friedhof in Bergedorf.
Text: Boike Jacobs, Fotos: Jacobs und Archiv