Damals war's

Von Wasser und Strom

Die Jahresrechnung für Wasser lag gestern in meinem Briefkasten, und zum ersten Mal muss ich zuzahlen, obwohl ich nicht mehr Wasser verbraucht habe als im Jahr zuvor. Nun, ich war gewarnt, seit die Energiekrise über uns hereingebrochen ist, bin ich folglich noch achtsamer mit Strom und Wasser als zuvor. Und wenn jüngere Menschen stöhnen und nicht wissen, wie sie sich einschränken sollen, denke ich an meine Kindheit.

Nur am Samstag wurde gebadet

Jeden Morgen duschen, jeden Abend womöglich in die Wanne steigen? Wer konnte sich das überhaupt vorstellen zu Beginn der 50-er Jahre. Wir hatten alle unsere zwei Waschlappen, mit denen wir uns morgens und abends wuschen. Nur am Sonnabend war Badetag, für uns Kinder in einer Zinkwanne, die auf einem stabilen Tisch stand. Schnell, geschickt und mit festen Händen wusch meine Mutter ein Kind nach dem anderen. Auf dem Kohleherd wurde das Wasser in einem großen Einmachkessel erhitzt,  und dann kamen immer zwei Kinder hintereinander in die Wanne. Gereinigt wurden wir mit Kernseife, erst der Körper, dann die Haare, und zum Abspülen wurde uns eine Kumme warmes Wasser über den Kopf gegossen.

Schnell, geschickt und mit festen Händen wurden wir von meiner Mutter am Ende auch „abgerubbelt“, mit unseren Haaren verfuhr meine Mutter nicht anders, und in der wärmeren Jahreszeit wurden sie einfach „luftgetrocknet“. Nur im Winter durften wir eine Pudelmütze aufsetzen, bis die Haare nur noch feucht waren. 

Das Wasser wurde auf dem Kohleherd erhitzt

Die Badewanne wurde allein von meinen Eltern und meinem Bruder benutzt, denn das war ein aufwändiger Prozess. Der große Boiler wurde mit Holz angeheizt, und es dauerte mindestens eine Stunde, bis das Wasser warm war. Als wir schließlich aus dem alten Bauernhaus umzogen, war der Boiler in der neuen Wohnung schon komfortabler, sogar unter den beiden Waschbecken war je einer angebracht. Fließend warmes Wasser gab es dadurch aber immer noch nicht, denn der Boiler musste erst eingeschaltet werden, und erneut musste man warten, allerdings nur noch zehn Minuten.

So sehr werden wir uns heute sicher nicht mehr reduzieren müssen, aber die Zeiten, in denen wir täglich anhaltend duschen, die Heizung auf 21 Grad drehen und überall eine Festbeleuchtung einschalten können, die sind wohl vorbei.

Die gute alte Zinkwanne wird wohl auch in Zukunft nur noch unseren Garten zieren.

Übrigens gibt es sie immer noch, die Zinkwannen und die großen Boiler, auch wenn sie nicht mehr genutzt werden wie in den 50er und 60er Jahren. Die Wanne ist zum Schmuckstück in vielen Gärten geworden, und die großen Boiler sind gerade in Mode, weil man sie ökologisch korrekt mit Holz beheizen kann.

Boike Jacobs

3 Gedanken zu „Von Wasser und Strom“

  1. und bei meinen Großeltern, bei denen wir 1943/44 wohnten, war alle 7 Wochen Wäschewoche. (7 -ParteienHaus). Am Ende der Woche wurde der steinerene Waschkessel nochmal fürs Badewasser beheizt, die Zinkwanne in die Waschküche geschleppt, die Fenster zugehängt, damit die Nachbarn nicht das Bad am Samstagabend sehen konnten, und badeten nacheinander 6 Personen. Schön genüßlich abtauchen gab’s nicht, denn ein Kessel Wasser mußte für alle reichen.
    Und sonst wusch man sich in der Küche an der Waschschüssel. Fließend Wasser war ein Stockwerk tiefer im Treppenhaus. Und trotzdem waren wir alle sauber und frisch.

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    1. Danke für Ihre Ergänzung, liebe Frau Schlieper! Oft habe ich mich gefragt, wie meine Mutter diese Arbeit mit sieben Kindern hat bewältigen können. Die Wäsche für die ganze Familie, die großen Wäschestücke, die wir zu zweit gewrungen haben, indem wir das Teil gegeneinander drehten, das Strecken, wenn sie trocken waren (und im Winter hingen sie oft brettsteif an der Leine), die eiskalten Betten im Winter, die völlig normal waren, Eisblumen an der Innenseite der Fenster – unverständlich die Klagen, dass wir heute „nur“ bei 20 Grad Zimmertemperatur bleiben sollen.

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      1. ja, und die steif gefrorene Wäsche vorsichtig abnehmen, damit sie nicht zerbrach. Und im Sommer lagen die weißen Teile auf der Wiese neben dem Haus, der Wäschebleiche, in der Sonne. Während des Trocknens immer mal wieder mit Wasser besprengen. Und dann war sie „blütenweiß“ und duftete wunderbar nach „frischer Wäsche“. Ganz ohne chemische Zusätze!

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