
Bald ist das 9 Euro Ticket Legende. Dann sind die Bahnen und Busse nur zu der üblichen „Rush Hour“ überfüllt oder wenn durchgesagt wird, dass sich die Bahn verspätet. Obwohl die Ansage meistens erst erfolgt, nachdem man sich schon die Beine in den Bauch gestanden hat. Nun da wollen wir nicht drüber berichten. Wir nehmen an diesem Sonntag den Bus nach Altengamme (228) und steigen an der Haltestelle Borghorst aus.
Orientieren uns, überqueren den Altengammer Hauptdeich, aufpassend, dass die Motorräder uns nicht erhaschen. Geschafft. Jetzt nehmen wir den Borgfelder Elbdeich in Beschlag. Wir sind am östlichsten Zipfel von Hamburg. Mitten im Naturschutzgebiet „Borgfelder Dünen und Elbwiesen“ und ein halbes Stündchen später dann in den „Besenhorster Sandbergen“. Die gehören jedoch schon zu Schleswig-Holstein. Unzählige Pflanzenarten, die teilweise auf der roten Liste stehen, sehen wir leider nicht. Aber sind sie vorhanden. Das habe ich gelesen. Damit begnügen wir uns. Wir nehmen
einen schönen Weg am Elbufer entlang. Sehen, weil Ebbe, auf der anderen Seite der Elbe, Strand.

Herrlich zum Sonnen und baden. Dort guckt zwischen den Bäumen der Campingplatz Stover Strand durch. Da müsste man mal hin. Entweder über die Geesthachter Brücke oder mit der Fähre nach Hoopte. Und dort kann man sich Wohnwagen mieten, die schon „Vintage“ sind. Total cool, sagt mein Enkel.
Eine Aussichtsplattform auf einem Gebäude zeigt uns, dass hier der Blick besonders ist. Sogar eine Bank wurde nicht vergessen. Die ist schon besetzt, so erhaschen wir den Schwinder Haken auf unserem Weg, immer wieder durch die mit Hagebutten besetzten Sträucher. Ja, der Altweiber Sommer lässt sich schon erahnen. Der Haken teilt Elbe und Elbe. Das Dreiländereck. Hamburg, Schleswig- Holstein und hinter der Spitze schon Niedersachsen. Was es so alles gibt.

Schade, auf unserem Hang zum Deich hoch, ist die Wiese schon gemäht. Einige Pflanzen wagen sich wieder hervor. Plötzlich gibt es Wiese, also noch nicht gemähtes. War Feierabend? Nein, wir sehen oben am Deich ein Schild. Wir haben Hamburg verlassen und Schleswig-Holstein hat wohl andere „Mähtermine“. So blühen der Beinwell, der Rainfarn und die Schafgarbe noch bunt vor sich hin. Wir müssen die Straße überqueren. Das Mischwerk ist das Ziel. Na, nicht wirklich. Aber ein Anhaltspunkt. Links geht es zu dem Besenhorster NSG.
Wege über Wege teilen sich. Welche Richtung nehmen? Links eine Weide. Und da hinten Bäume. Gehen wir erstmal dorthin. Umkehren können wir ja immer. Scheint aber richtig zu sein, ein Schild zeigt uns mit dem obligatorischen roten Punkt, wo wir uns befinden und was es hier alles so zu entdecken gibt. Zwei große Torpfosten öffnen den Blick in das Waldgebiet. Die Torgitter sind leider nicht mehr vorhanden. Früher war alles abgegrenzt. Hier gingen die Arbeiter*innen durch, wenn sie….- aber davon später. Denn, nun kommt`s: dieses Gebiet mit 20 ha Dünengelände erhielt Reichskanzler Otto von Bismarck 1871 vom Kaiser Wilhelm I. geschenkt. In Anerkennung seiner Verdienste. (Das ist ja nicht das einzige Areal, man denke an den Sachsenwald).

Spannend wird ́s nun, weil er dieses Gebiet nunmehr 1877 an einen Industriellen Duttenhöfer verpachtete. Dieser hatte schon eine Pulverfabrik im südlichen Deutschland. Hier wollte er eine weitere errichten, da die Nähe zu einem großen Hafen reizte. Pulver wurde hergestellt. Bis zum Ende des 1. Weltkrieges arbeiteten dort ca. 20.000 Menschen. Ein lohnendes Geschäft.
Der Krieg ward verloren. Die Alliierten legten die Fabrik still und die Produktionsanlagen wurden abtransportiert. Notgedrungen wurden andere, friedlichere Objekte hergestellt. Fußbodenbeläge.
Die Zeit vergeht. Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht. Und was bietet sich an, als die Pulverfabrik wieder aufzubauen. Der Bedarf an Schwarzpulver für Waffen und Raketen war immens.
Das Dünengelände wurde mit weiteren Anlagen erweitert. In der „Birke“ (so wurde dieser Teil genannt) entstanden mehr als 340 Gebäude. Wieder arbeiteten bis zu 6500 Menschen im Drei- Schicht- Betrieb hier.
Nach der Bombardierung 1945 wurden die Anlagen abgebaut, das Pulver vernichtet und viele der Gebäude gesprengt.
Ja, es heißt, es gibt noch Ruinen zu sehen.
Aber nach so viel Geschichte wollen wir uns auf den Weg machen, um Ruinen, kleine Bunker, Reste von Mauern zu entdecken.




Das erweist sich schwieriger als gedacht. Verstecken sich im inzwischen zugewachsenen Wald. Auch wenn wir folgsam auf den Wegen bleiben, rechts und links noch Lichtmasten aus Beton neben hohen Kiefern und Laubbäumen versteckt stehen, ist es nicht einfach. Den befestigten Weg gibt es nicht mehr. Einige der Masten sind eingeknickt. Die dicken Kabel (?) zeigen sich.


Und plötzlich gabelt sich der Weg. Wohin jetzt? So richtig hilfreich ist Google maps auch nicht. Na, denn nicht. Die Natur hat sich eben vieles wieder zurückgeholt. Zwischendrin dann doch mal ein zerstörter Bunker, das Dach überwachsen mit Moos und Farn.

Endlich entdecken wir die große Düne. Ein schönes Andenken an die letzte Eiszeit, die diese Sandmassen hierher verwehte. Da wir uns in einem Naturschutzgebiet befinden, siedeln sich nun unbehelligt Heide, Flechten und Moose an. Um uns herum die übliche Mittagsstille. Die Vögel halten Mittagsschlaf. Mücken tanzen und stechen. Wir stapfen durch den Sand, achten darauf, nichts zu zerstören, rutschen fast den Pfad runter. Wieder auf den Weg. Also, einen dieser vielen Wege. Wollen wir noch mal nach links? Irgendwo muss doch auch die Ruine der großen Werkshalle zu finden sein.


Ich mach es kurz, wir fanden sie noch. Unheimlich. Ein paar Fotos müssen sein. Befriedigt, sie gefunden zu haben, treten wir den Rückweg an. Er wird allerdings zum Rundweg, denn plötzlich stehen wir wieder in dem – vorher so gesuchten – Gelände.
Ein bisschen mehr überlegen, welchen Weg wir nehmen. Doch, doch, wir kommen wieder zum Tor.
Zurück nach Altengamme. Der Bus fährt erst in einer halben Stunde. Wir besetzen einfach eine Bank vor einem Bauernhaus. Ruhen uns ein wenig aus. Er wird ja kommen- der Bus. Außerdem gibt es so viel zu erzählen.
P.S. Vor kurzem haben wir mit acht Leutchen dieses Gebiet noch einmal besucht. Aber die Ruinen waren irgendwie verschwunden. Ja, wenn Acht, dann mindestens 10 Meinungen, wo hin der Weg führt.
Fotos: Edith Kalisch
Liebe Edith!
Wieder so ein schöner informativer Beitrag von Dir. Man spührt die Natur!!!!
Es muß viel rescherschirt werden.
Ich bewundere Dich dafür.
Weiter so Deine Elke.
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Wie oft bin ich schon mit der Linie 228 gefahren, aber immer nur hin zur Elbe. Dies ist eine ganz neue Möglichkeit, wieder Spannendes zu entdecken. Auch ich lese Ihre so leicht und heiter geschriebenen Beiträge sehr gern und freu mich schon auf den nächsten. Boike Jacobs
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